[Werkzeug] Burnouts bei Cosmas II

Von Kristin Kopf

Ein Fre­und hat mich gefragt, ob die Ver­wen­dung des Begriffs Burnout seit den 1990ern in Zeitung­s­tex­ten zugenom­men habe und wie er das her­aus­find­en könne. Für eine medi­zinis­che Dok­torar­beit. Juhu, konkreter Nutzen für die Men­schheit involviert!

Nun gibt es elek­tro­n­is­che Textsamm­lun­gen, mit denen sich solche Abfra­gen machen lassen, aber oft sind sie für Laien schw­er zu durch­schauen. (Und ich will nicht behaupten, dass ich da den vollen Durch­blick hätte.) Eine davon ist das Deutsche Ref­eren­zko­r­pus, das man über Cos­mas II nutzen kann. Bei Beiträ­gen zum Anglizis­mus des Jahres 2010 kamen schon öfter Recherchen dazu vor, jet­zt will ich ein­mal exem­plar­isch zeigen, wie man an solche Fragestel­lun­gen herange­hen kann.

Ich benutze hier die Webober­fläche, aber man kann sich die Soft­ware auch instal­lieren. Zuerst braucht man aber (aus rechtlichen Grün­den) auf jeden Fall ein Nutzerkon­to. Lei­der ist die Nav­i­ga­tion der Ober­fläche sub­op­ti­mal, man muss ständig zwis­chen der hor­i­zon­tal­en Leiste und der linken Spalte hin- und her­sprin­gen. Zunächst ein­mal oben auf “Anmel­dung”, dann links auf “Login” und dann oben wieder auf “Recherche”. Und wieder links auf “Archiv”. Hier kann man jet­zt unter den fol­gen­den Archiv­en auswählen:

  • W — Archiv der geschriebe­nen Sprache
  • W‑ÜBRIG — Archiv der aus­sortierten geschriebe­nen Korpora
  • HIST — Archiv der his­torischen Korpora
  • GFDS — Kartei der Gesellschaft für deutsche Sprache
  • TAGGED — Archiv der mor­phosyn­tak­tisch annotierten Korpora
  • WK-PH — Archiv der phasen­gegliederten Wendekorpora
  • W‑TAGGED — Auswahl mit CONNEXOR getag­gter Korpora

Für unsere Zwecke brauchen wir das W‑Archiv, die anderen sind entwed­er zeitlich nicht rel­e­vant oder zu klein oder bei­des. Nach dem Klick darauf erscheint eine Über­sicht über alle “virtuellen Kor­po­ra”, die darin enthal­ten sind. Das sind haupt­säch­lich Zeitung­s­texte aus ganz ver­schiede­nen Jahren und ganz ver­schiede­nen Umfangs. Damit wir sich­er sagen kön­nen, dass es eine rel­a­tive Zunahme von Burnout gibt, müssen wir sich­er­stellen, dass wir für alle unter­sucht­en Jahre unge­fähr gle­iche Textmen­gen haben – wir brauchen also Zeitun­gen, die die gle­ichen Jahrgänge abdecken.

Damit wirk­lich nur die gewün­scht­en Texte durch­sucht wer­den, muss man sich ein eigenes Kor­pus definieren. Das geht in der linken Spalte unter “Kor­pus – Kor­pusver­wal­tung” und dann im mit­tleren Feld unter “Benutzerdefinierte Kor­po­ra” über “Definieren”. Es erscheint nun ein Auswahlmenü:

Links ste­hen die einzel­nen Texte, die man auswählen und dann nach rechts, in das eigene Kor­pus, ver­schieben kann. Um alle Jahrgänge ein­er Zeitung zu erwis­chen, sollte man im Such­feld in der Mitte nach dem Zeitungsna­men suchen, da sie nicht unbe­d­ingt nacheinan­der aufge­lis­tet sind. Sobald alle gewün­scht­en Texte aus­gewählt sind, gibt man unten noch einen Namen für das Kor­pus ein und klickt auf “übernehmen” und dann auf “spe­ich­ern”.

Für die Burnout-Suche brauchen wir Zeitun­gen, die möglichst weit zurück­re­ichen. Bis 1990 gehen nur die Nürn­berg­er Nachricht­en, also nehmen wir erst­mal die. Den aktuell­sten Monat, Juli 2010, habe ich raus­ge­wor­fen, damit man die Zahlen nach­her in Hal­b­jahress­chrit­ten unter­suchen kann. Dann geht’s weit­er in der linken Spalte, mit “Suchan­frage”.

Diese Suchan­frage muss so gestellt wer­den, dass alle Schreib­weisen und Flex­ions­for­men von Burnout erfasst wer­den. Meine Eingabe ist daher:

burnout OR burnouts OR (burn /+w1 out) OR (burn /+w1 outs) OR burn-out OR burn-outs

Die Groß- und Klein­schrei­bung ist egal, das OR zeigt an, dass ich alle Stellen will, bei denen eine der drei For­men vorkommt, und (burn /+w1 out) bedeutet, dass ich alle Stellen will, bei denen burn und out direkt nebeneinan­der ste­hen. Durch die Alter­na­tiv­en ist sichergestellt, dass auch Plur­al- oder Gen­i­tiv­for­men auf -s auf­tauchen werden.

Ein Klick auf “suchen” liefern zunächst ein­mal die Wort­form­lis­ten. Da kann man dann die genauen Schrei­bun­gen sehen, nach denen gesucht wird, und sie, wenn etwas Falsches dabei ist, ein­fach deak­tivieren. Sobald das erledigt ist (ich habe nichts deak­tiviert), geht es über “Ergeb­nisse” endlich ans Ziel: In den Nürn­berg­er Nachricht­en gab es in den let­zten 20 Jahren grade mal 120 Ver­wen­dun­gen von Burnout in 66 ver­schiede­nen Tex­ten. Hier die Zahlen, von mir schon nach Hal­b­jahren zusammengefasst:

Hal­b­jahr Tre­f­fer
1990–1 3
1990–2 5
1991–1 0
1991–2 0
1992–1 0
1992–2 0
1993–1 3
1993–2 1
1994–1 0
1994–2 2
1995–1 0
1995–2 0
1996–1 0
1996–2 1
1997–1 0
1997–2 2
1998–1 0
1998–2 0
1999–1 0
1999–2 0
2000–1 0
2000–2 0
2001–1 0
2001–2 1
2002–1 0
2002–2 5
2003–1 2
2003–2 4
2004–1 3
2004–2 2
2005–1 0
2005–2 0
2006–1 1
2006–2 2
2007–1 7
2007–2 5
2008–1 3
2008–2 5
2009–1 32
2009–2 15
2010–1 8

Über “Export” kann man die Dat­en spe­ich­ern. In der Datei ste­ht dann auch, wie viele Wörter es pro Monat gab (“Zusam­menset­zung des aktiv­en Kor­pus”). Das schwankt von 1.045.194 bis runter zu 500.214, scheint aber ins­ge­samt keine so große Bedeu­tung zu haben. Die Tre­f­fer stellen sich, geteilt durch die Gesamt­wortzahl des jew­eili­gen Hal­b­jahrs, fol­gen­der­maßen dar:


Da scheint schon was zu passieren, allerd­ings sind die Zahlen wirk­lich, wirk­lich klein.

Glück­licher­weise gibt es für die Nuller­jahre mehr Texte bei Cos­mas II, sodass ich ein größeres Kor­pus aus sechs Zeitun­gen für 2006–2010 definiert habe. (Das sind: Mannheimer Mor­gen, Nürn­berg­er Zeitung, Nürn­berg­er Nachricht­en, Ham­burg­er Mor­gen­post, Rhein-Zeitung und Braun­schweiger Zeitung.) In diesem viel kürz­eren Zeitraum find­en sich dann auch 611 Treffer:

Hal­b­jahr Tre­f­fer
2006–1 27
2006–2 25
2007–1 45
2007–2 97
2008–1 80
2008–2 48
2009–1 102
2009–2 111
2010–1 76

Für die Hal­b­jahre zusam­men­gerech­net und durch die Textwortzahl geteilt:


Schade, dass für das zweite Hal­b­jahr 2010 noch keine Dat­en vor­liegen, mich würde inter­essieren, was da passiert ist. Aber auch hier sind die Zahlen zu klein, um der Kurve große Aus­sagekraft beizumessen.

Und dann habe ich noch eine ganz dreck­ige Abfrage gemacht: Ich habe alle Zeitungs- und Zeitschrif­ten­texte (auch aus Öster­re­ich und der Schweiz) aus den Jahren 1989, 1999 und 2009 durch­sucht. 1999 und 2009 kom­men auf eine ver­gle­ich­bare Textwortzahl – und auf einen starken Tre­f­fer­anstieg: von 78 auf 544. (1989 ist weit abgeschla­gen und liefert vielle­icht deswe­gen keinen einzi­gen Treffer.)

*puh* Ganz schön frus­tri­erend, diese Kor­pus­geschicht­en: Sooo viel Text, so kleine Zahlen. Ich habe auch einen Test mit dem Ngram View­er gemacht, der Büch­er durch­sucht. Da find­en sich zu früher­eren Zeit­punk­ten hohe Zahlen:


Ins­ge­samt würde ich fes­thal­ten, dass in den let­zten Jahren ver­mehrt über Burnout berichtet wurde. Es ist allerd­ings nicht klar, ob der Trend momen­tan wieder abklingt (glaube ich nicht) oder ob das Phänomen nur grade in den unter­sucht­en Zeitun­gen keine “Sai­son” hat, sich aber bald wieder stärk­er nieder­schlägt. Außer­dem sind die Belegzahlen ins­ge­samt ein­fach sehr klein, was auch logisch ist, denn so eine Zeitung hat ein bre­ites The­men­spek­trum und nur ein Bruchteil davon lädt zur Burnout­berichter­stat­tung ein. (Zu Hoch-Zeit­en gab es in meinem Sech­szeitun­genko­r­pus in einem Hal­b­jahr, näm­lich 2/2009, 77 Artikel, die das Wort enthiel­ten – bei 1.229.504 Artikeln insgesamt.)

Man kön­nte, wenn man wollte, noch mehr mit der Kor­pus­de­f­i­n­i­tion herum­bastelt und z.B. Zeitun­gen, die es nur in den früheren Jahren gibt, mit Zeitun­gen, die es nur in späteren Jahren gibt, fort­set­zen, um ins­ge­samt eine größere Textmenge zu kriegen. Dazu hat­te ich aber keine Lust mehr. Ich hoffe, dem zukün­fti­gen Dr. med. trotz­dem wenig­stens ein bißchen geholfen zu haben.

Und für alle, die von diesen ganzen Einzel­wor­tun­ter­suchun­gen schon total angenervt sind: Es wird bald wieder was anderes kom­men. Bin schon am Schreiben!

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