Ein Kuddelmuddel: Die Großverwandten (Verwandtschaftstrilogie Teil 2)

Von Kristin Kopf

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Mein Brud­er und ich haben einige Groß­cousins und -kusi­nen. Wir meinen damit die Enkel der Geschwis­ter unser­er Großel­tern – ganz beson­ders aus ein­er bes­timmten Fam­i­lie, weil wir mit den Kindern teil­weise in die Schule gin­gen. Wir haben auch ein paar Groß­tan­ten und Großonkel, aber das sind nicht die Eltern der Großkusi­nen/-cousins, son­dern deren Großel­tern. Hm, selt­sam. Wer sind denn dann die Kusi­nen oder Cousins unser­er Eltern? Dafür haben wir keine Beze­ich­nun­gen, wahrschein­lich auch, weil sie in unserem Leben nie wirk­lich eine Rolle gespielt haben.

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Großver­wandte in Kristins Familie

Was sagen nun meine Versuchspersonen?

Großkusinen und ‑cousins

Was ver­ste­ht Ihr unter “Großku­sine”?

Es gab 13 Per­so­n­en, die die Beze­ich­nung Großku­sine nicht kan­nten und zusät­zlich 3, die die Beze­ich­nung nie ver­wen­den. Diese Antworten blieben unberück­sichtigt. Manch­mal wur­den mehrere Möglichkeit­en angegeben, die habe ich alle berück­sichtigt. Ein schönes Syn­onym für Großku­sine habe ich bei all­dem auch noch gel­ernt: Cous-Cou­sine. Ken­nt das noch wer?

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Eine Großku­sine ist …

Ihr seht, der Kampf tobt in erster Lin­ie zwis­chen den Kusi­nen der Eltern und deren Töchtern. Die VertreterIn­nen der Kusine-der-Eltern-Frank­tion argu­men­tierten häu­fig damit, dass die Tochter der Groß­tante natür­lich die Großku­sine sein müsse.

Die VertreterIn­nen der Enke­lin-der-Groß­tante-Frank­tion (wie ich) argu­men­tierten hinge­gen damit, dass jemand, der mit -kusine beze­ich­net wird, der­sel­ben Gen­er­a­tion ange­hören müsse wie man selbst.

Beson­ders inter­es­sant fand ich zwei Antworten:

  • alle (weib­lichen) Ver­wandten die ich zur mein­er eige­nen Gen­er­a­tion zäh­le, und bei denen die Ver­wandtschafts­beziehung weit­er ist als Schwester/Kusine
  • Ich wuerde mal sagen, dass Großkusi­nen bei mir all jene Ver­wandte sind, die irgend­wie ver­wandt mit mir sind und noch dazu weib­lich in mein­er (groben) Alter­sklasse. Falls zu alt wer­den sie dann Grosstan­ten. Maennlich entsprechend.

Diese bei­den unter­stützen die Enke­lin-der-Groß­tante-Frak­tion, sind aber noch radikaler: Die Großku­sine ist ein­fach eine ent­fer­nte weib­liche Ver­wandte gle­ichen Alters.

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Viele Leute schrieben über ihren Gebrauch und set­zten dazu, dass sie sich nicht sich­er seien, ob sie das Wort richtig gebraucht­en oder gar, dass sie sich sich­er seien, dass sie es falsch gebraucht­en. Ich glaube allerd­ings, dass es gar keinen ein­deuti­gen Gebrauch gibt, und die Antworten bestärken mich darin. Ich kann Euch auch nur allen rat­en, Groß­cousin zu googlen und die diversen Forums­beiträge dazu nachzule­sen: Man fühlt sich wie bei Lori­ot! Auch alle angegebe­nen “Quellen” scheinen nur jew­eils den per­sön­liche Gebrauch der AutorIn­nen widerzuspiegeln.

Und für alle, die auch noch abstim­men wollen:

Großtanten und ‑onkel

Vor­weg ein schneller Blick ins Deutsche Wörter­buch der Grimms, das einen älteren Sprach­stand widergibt:

  • grosz­tante, f., schwest­er des grosz­vaters oder der groszmutter
  • groszbase, f., avi­ta magna, soror avi [= Schwest­er des Großvaters]
  • grosz­muhme, f.: die gros­muhm matert­era magna, avi­ae soror […] so viel als der grosze-mut­ter schwester
  • gros­zonkel, m., was groszoheim
  • gros­zo­heim, m., avun­cu­lus mag­nus, avi­ae frater [= Brud­er der Großmutter]
  • groszvet­ter, m., patru­us mag­nus, avi pater­ni vel mater­ni frater [= Brud­er des Großvaters]

Oh, diese Unsitte der lateinis­chen Umschrei­bun­gen in der Lexiko­gra­phie! Ich habe sin­ngemäß über­set­zt, nach diesem Wörter­buch.

Das ergibt fol­gen­des Bild:

grostantegrimm

Dass danach unter­schieden wird, ob es Geschwis­ter der Groß­mut­ter oder des Groß­vaters sind, ähnelt dem Prinzip bei den Geschwis­tern der Eltern, das ich für das Alt- und Mit­tel­hochdeutsche schon erläutert habe. Die Beze­ich­nun­gen wan­dern qua­si eine Gen­er­a­tion “nach oben” und wer­den mit Groß- verse­hen, also alles schön par­al­lel. (Groß­cousin(e) find­et sich bei den Grimms über­haupt nicht, nicht ein­mal für Cousin(e) gibt es einen Ein­trag – let­ztere tauchen aber wenig­stens gele­gentlich in Beispiel­sätzen auf.)

Das damals geze­ich­nete Bild gilt, mit den Beze­ich­nun­gen Groß­tante und -onkel, heute noch immer. Meine Ver­suchsper­so­n­en waren sich hier viel, viel einiger:

Was [ver­ste­ht Ihr] unter “Groß­tante”?

grostantetorte

[poll­dad­dy poll=1505771]

Vielle­icht nicht so selt­sam, dass hier alles viel klar­er scheint – die Beze­ich­nung scheint es ja auch schon viel länger zu geben, wenn man sich danach richtet, dass das Grimm­sche Wörter­buch sie, im Gegen­satz zu Großkusi­nen und ‑cousins, kennt.

Wie bei Tante und Onkel auch, erwäh­nen hier manche, dass auch die Ehep­art­ner­in­nen der entsprechen­den männlichen Per­son Groß­tan­ten sein kön­nen, das habe ich aber nicht sys­tem­a­tisch verfolgt.

Und für weit­ere Abstimmungen:

4 Gedanken zu „Ein Kuddelmuddel: Die Großverwandten (Verwandtschaftstrilogie Teil 2)

  1. jw

    wirk­lich inter­es­sante Ergebnisse.
    Vielle­icht kann ich hinzufü­gen, dass als ein­er der, die in den Großk­ousi­nen die Cousi­nen der Eltern sehen, es bei uns auch eine Beze­ich­nung für deren Kinder wären, das wäre für mich eine Cou­sine zweit­en Grades. Lustiger­weise beste­ht zu diesen in unser­er Fam­i­lie kein Kon­takt, während ich zwei Cousi­nen und Groß­cousins drit­ten Grades kenne.

    Die einzig richtige Antwort auf diese Frage, pflegte aber mein ver­stor­ben­er Groß­vater (den wir Näni nan­nten — vgl. Kristins drit­ter Blog­post, die mit dem Schweiz­er Ein­fluss). Sollte über irgendwelche kom­plizierten Ver­wand­schafts­beziehun­gen disku­tiert wer­den, ent­geg­nete er stets bloß:

    Die Großmüt­ter waren Brüder.

    Lustig darauf die Reak­tion. Die tief mit Nach­denken beschäftigten Mit­disku­tan­ten, antworteten meist etwas wie “ach ja so muss es gewe­sen sein” oder “ahh das kön­nte stimmen”. 😉

    Antworten
  2. Nadine

    Hi,

    wirk­lich sehr span­nend. Ein Nach­trag: Der Grund, warum in Grimms Wörter­buch kein Ein­trag unter “Cou­sine” zu find­en ist, liegt doch sich­er darin begrün­det, dass das ältere Wort dafür “Base” bzw. “Vet­ter” ist. 

    In mein­er Fam­i­lie ist das Wort “Cou­sine” erst seit mein­er Gen­er­a­tion gebräuchlich.

    Liebe Grüße,
    Nadine

    Antworten
    1. Kristin Beitragsautor

      Hey Nadine,
      vie­len Dank für Deine Anmerkung!
      Das Wort Cou­sine tauchte im Deutschen erst­mals Mitte des 17. Jh. auf, es wäre also schon möglich, es in einem älteren Wörter­buch zu find­en. Wie fre­quent es damals war, weiß ich allerd­ings nicht. Ich habe auch bei Adelung (1811) geschaut, eben­falls kein Ein­trag. Der hat noch nicht ein­mal Base in der Bedeu­tung ‘Cou­sine’, son­dern noch in der (älteren) Bedeu­tung ‘Tante’.
      Über den ganzen Kom­plex mit Base/Vet­ter und Muhme/Oheim habe ich auch schon mal was geschrieben: Da.

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  3. Andrea

    Wer sind denn dann die Kusi­nen oder Cousins unser­er Eltern? Dafür haben wir keine Beze­ich­nun­gen, wahrschein­lich auch, weil sie in unserem Leben nie wirk­lich eine Rolle gespielt haben.” — Die Cou­sine mein­er Mut­ter ist eine Tante 2. Grades, ich sage Tante + Vor­name zu ihr.
    Der Cousin mein­er Mut­ter, über die andere Lin­ie ver­wandt, ist ein­fach jen­er, ohne direk­te Anrede. 

    Groß­cou­sine = Cou­sine 2. Grades.

    Da habe ich mehrere Fälle:

    - Tochter der Cou­sine mein­er Mutter

    - Töchter des Cousins mein­er Mutter

    - Tochter der Cou­sine meines Vaters

    Ich selb­st bin eine Tante 2. Grades d.h. ein Cousin von mir ist ver­heiratet, hat Kinder und Tante 3. Grades d.h. die Tochter der Cou­sine mein­er Mut­ter ist in ein­er Beziehung und hat ein Kind. 

    Her­zliche Grüße

    Andrea

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