Schlagwort-Archive: Kopulasätze

Keine Kreativität bitte, wir sind Muttersprachler

Von Anatol Stefanowitsch

Vor ein paar Wochen habe ich an einem Son­ntag­mor­gen aus ein­er all­ge­meinen Unzufrieden­heit mit dem Zus­tand unser­er Gesellschaft (und aus etwas Langeweile) den fol­gen­den Satz getwittert:

  1. La rev­olu­ción es enfer­ma.

Das ist eine Abwand­lung des vor allem in Lateinameri­ka häu­fig zitierten rev­o­lu­tionären Sinnspruchs La rev­olu­ción es eter­na – etwa „Die Rev­o­lu­tion ist ewig (d.h. geht immer weit­er)“ –, ((Es stammt möglicher­weise ursprünglich vom mexikanis­chen Poli­tik­er Rodol­fo Sánchez Tabo­da [siehe hier], es find­et sich aber häu­fig, z.B. bei Raúl Cas­tro (im Futur) oder bei Hugo Chávez.)) nur, dass ich eben eter­na („ewig“) durch enfer­ma („krank“) erset­zt habe. Zwei mein­er Follower/innen waren nicht nur wach, son­dern auch spanis­che Muttersprachler/innen, und bei­de wiesen darauf hin, dass ich statt es hätte está schreiben müssen:

  1. La rev­olu­ción está enfer­ma. Weit­er­lesen

Ich bin ein Sprachmythos

Von Anatol Stefanowitsch

Es wäre ja zu schön, wenn John F. Kennedy sich in sein­er viel zitierten und in der Wahrnehmung (west-)deutscher Medi­en his­torisch befremdlich über­höht­en „Ich-bin-ein-Berliner“-Rede tat­säch­lich als mit Marme­lade gefülltes Back­w­erk beze­ich­net hätte. Aber obwohl sich entsprechende Gerüchte vor allem in der englis­chsprachi­gen Welt hart­näck­ig hal­ten, hat er das nicht. Das durfte ich anlässlich des 50. Jahrestages sein­er Rede nicht nur der AFP erk­lären, son­dern das habe ich schon vor genau fünf Jahren – damals noch im Bre­mer Sprach­blog – aus­führlich disku­tiert. Und Susanne hat vor zweiein­halb Jahren beschrieben, wie und wo dieser Mythos ent­standen ist.

Für diejeni­gen, die sich nicht durch diese empfehlenswerten, aber alten, Blog­beiträge wühlen wollen: Der Mythos geht unge­fähr so. Kennedy hätte eigentlich sagen müssen Ich bin Berlin­er, da das soge­nan­nte Prädikat­snomen, also das Sub­stan­tiv, das dem Verb sein fol­gt, in dieser Art von Herkun­ft­szuschrei­bung keinen Artikel haben dürfe. Deshalb sei Kennedys Ich bin ein Berlin­er nicht als Herkun­ft­szuschrei­bung zu inter­pretieren, und Berlin­er könne sich hier nicht auf „Einwohner/in der Stadt Berlin“ beziehen. Die einzige Alter­na­tiv­in­ter­pre­ta­tion für Berlin­er sei „mit Marme­lade gefülltes rundlich-plattge­drück­tes Back­w­erk“. Weit­er­lesen