Archiv für das Jahr: 2011

xkcd: Künstler, Comiczeichner, Denker

Von Anatol Stefanowitsch

Ab und zu über­set­ze ich ja hier sprach­wis­senschaftlich inter­es­sante Comics von Ran­dall „XKCD“ Munroe. An einem der besten habe ich mir vor einiger Zeit die Zähne aus­ge­bis­sen. Wie immer, wenn mir etwas nicht sofort gelingt, habe ich die ganze Angele­gen­heit ver­drängt, aber fre­undlicher­weise hat mich Ali „Zoon­poli­tikon“ Arbia anlässlich mein­er jüng­sten Über­set­zung daran erin­nert.

Was den Com­ic so unüber­set­zbar macht, wird klar, sobald man das Orig­i­nal ver­standen hat:

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Spaß mit Symbolen

Von Anatol Stefanowitsch

In vie­len Sit­u­a­tio­nen sollen Bildsym­bole dazu dienen, sprach­bar­ri­erenüber­greifende Kom­mu­nika­tion zu ermöglichen. Lei­der ist es gar nicht so leicht, unmissver­ständliche Sym­bole zu find­en, was immer wieder Anlass für mutwillige und sehr unter­halt­same Fehlin­ter­pre­ta­tio­nen liefert.

Ein Klas­sik­er mit einem fes­ten Platz im Olymp der Inter­net-Meme ist dabei natür­lich Push But­ton, Receive Bacon („Knopf drück­en, Speck erhal­ten“): Weit­er­lesen

Cereal Offenders

Von Anatol Stefanowitsch

Es gibt Lehn­wörter, über die regt sich nur der Vere­in Deutsche Sprache auf, während der Rest der Welt sie entwed­er ganz selb­stver­ständlich ver­wen­det (wer würde ern­sthaft „Klap­prech­n­er“ statt Lap­top sagen) oder längst vergessen hat (wer würde über­haupt noch Lap­top sagen).

Und dann gibt es Lehn­wörter, die lösen selb­st bei tol­er­an­ten Men­schen Abscheu oder sog­ar Rage aus. Ein solch­es Wort ist Cere­alien. Ich bin bish­er nie­man­den, wirk­lich nie­man­dem begeg­net, der bere­it wäre, dieses Wort auch nur zu tolerieren (außer mir selb­st, aber kann man sich selb­st begegnen?).

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Der Witwer und seine Witwe

Von Anatol Stefanowitsch

In der Diskus­sion zu meinem Beitrag vom Mon­tag wird unter anderem die Frage disku­tiert, ob die Tat­sache, dass weib­liche Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen häu­fig von männlichen Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen abgeleit­et sind, aber fast nie umgekehrt, auf einen struk­turellen Sex­is­mus der deutschen Sprache hin­weist. Mir ist unklar, wie man ern­sthaft der Mei­n­ung sein kann, dass das nicht der Fall ist: Man müsste dazu entwed­er davon aus­ge­hen, dass die Rich­tung der Ableitung hier rein­er Zufall ist, oder, dass sprach­liche Struk­turen grund­sät­zlich keine Bedeu­tung trans­portieren, sodass die Rich­tung der Ableitung keine Rolle spielt. Bei­de Annah­men scheinen mir abso­lut unplausibel.

Nicht nur offen­sichtliche Aspek­te der Sprach­struk­tur trans­portieren aber ein sex­is­tis­ches Men­schen­bild; auch in ver­steck­ten Muster des Sprachge­brauchs schlägt es sich nieder. Diese Muster kann man nicht durch die Betra­ch­tung einzel­ner Beispiele aufdeck­en, son­dern nur durch die quan­ti­ta­tive Analyse größer­er Textmen­gen. Die Wörter Witwe und Witwer liefern ein schönes Beispiel dafür.

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Witwe vs. Witwerin

Von Kristin Kopf

Im Sprachlog geht es zur Zeit um die Form Witwerin (statt Witwe) und ihre möglichen Ursachen. (Kurzver­sion: Es han­delt sich um eine Analo­giebil­dung zu all den anderen abgeleit­eten For­men auf -in, die an Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen auf -er ange­hängt werden.)

In den Kom­mentaren kam die Frage auf, ob Witwe und Witwerin ein­mal gle­ich­berechtigt nebeneinan­der existierten:

Waren damals die Witwerin ein gle­ci­h­berechtigtes Syn­onym zur Witwe? Oder war Witwe immer das Grund­wort und die Witwerin war immer eine zweifel­hafte Neben­form. Wann und warum set­zte sich die Witwe durch?

Nun haben wir lei­der keine per­fek­ten his­torischen Kor­po­ra, aber ich glaube, dass das, was es so gibt, auch ein ganz gutes Bild ver­mit­telt.1 Ich habe mal bei Google­Books alle deutschsprachi­gen Büch­er nach Jahrhun­derten getren­nt durch­sucht, begin­nend mit dem 16. Jahrhun­dert. (Vorher sah es ja bekan­ntlich mau aus mit dem Buchdruck.)

Kaum einer mag die Witwerin

Die Ergeb­nisse zeigen recht deut­lich, dass Witwerin immer nur eine (mit gutem Willen) Neben­form war: Weit­er­lesen

Witwer und Witwerinnen

Von Anatol Stefanowitsch

Im Blog Kom­pe­ten­zteam für schöne und für schlimme Wörter wer­den, wie der Name schon sagt, „schöne und schlimme Wörter“ gesam­melt. Let­zte Woche sam­melte jemand das Wort Witwerin­nen in die Kat­e­gorie „schlimme Wörter“:

Witwerin­nen … Solch­es sprach in der Kom­bi­na­tion „Witwer und Witwerin­nen“ die Qual­ität­sjour­nal­istin Brigitte Büsch­er in der gestri­gen Aus­gabe von „Hart aber fair“. Und zwar mehr als ein­mal. Zeit für einen Seman­tik-Check. [Link]

Die Schuld an diesem Ver­sprech­er gab man umge­hend der „poli­tisch kor­rek­ten, ins­beson­dere gen­der­be­wußten Sprache“ [Lud­wig Tre­pl] und dem „durchge­gen­derten Medi­en- und Polit­deutsch“ [Nachtwächter].

Aber ganz so ein­fach ist es nicht. Das Wort wäre eigentlich (wie vielle­icht die Mehrzahl der vom Kom­pe­ten­zteam gesam­melten Wörter) in ein­er lei­der fehlen­den Kat­e­gorie „inter­es­sante Wörter“ bess­er aufgehoben.

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Die Japaner haben kein Wort für Tsunami

Von Anatol Stefanowitsch

Man muss nichts über die japanis­che Sprache — oder Sprache über­haupt — wis­sen, um über eine Ausstel­lung von Werken des japanis­chen Kün­stlers Katushi­ka Hoku­sai zu schreiben. Aber man sollte dann eben auch nur über die Ausstel­lung, und nicht über die japanis­che Sprache schreiben. Wenn man es doch tut, kommt dabei dieser Artikel in der Main-Post heraus.

Er fängt schon wenig vielver­sprechend an:

In Japan nen­nt man die Dinge nie gern beim Namen, das zeigte sich bei den Mit­teilun­gen der Regierung zum Reak­torunglück in Fukushi­ma. Aber das war auch schon früher so, als Kat­sushi­ka Hoku­sai (sprich: Hok’sai, 1760–1849) lebte, der als 13-Jähriger seine Kün­stlerkar­riere begann…

Ja, so ken­nen wir sie, die Japan­er — wollen sich ein­fach der Real­ität nicht stellen. Ganz anders als wir Deutschen. Unsere Regierung nen­nt ja die Dinge gerne beim Namen — außer, wenn es um akademis­chen Betrug, Panz­er für Sau­di-Ara­bi­en oder den Erfolg wirtschaftlich­er Sank­tio­nen gegen libysche Dik­ta­toren geht. Aber son­st — immer ganz auf die Real­ität fixiert.

Aber ich schweife ab, Fukushi­ma war ja nur der unver­mei­dliche Ein­stieg, der auf abse­hbare Zeit oblig­a­torisch für alle Artikel über Japan ist. Eigentlich geht es aber um ein berühmtes Bild des eben genan­nten Katushi­ka Hoku­sai, näm­lich dieses hier:

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Von Sprachpanschern und Faktenpanschern

Von Anatol Stefanowitsch

Die Wahl des „Sprach­pan­sch­ers des Jahres“ vom Vere­in Deutsche Sprache stellt mich jedes Jahr vor ein Dilem­ma: Darüber schreiben, und die vom VDS euphemistisch als „Schmäh­preis“ beze­ich­nete Desin­for­ma­tion­skam­pagne durch diese Aufmerk­samkeit adeln, oder sie mit der Mis­sach­tung strafen, die sie ver­di­ent, und den Sprach­nör­glern damit die medi­ale Deu­tung­shoheit über den Gebrauch von Lehn­wörtern überlassen?

Wohin diese Deu­tung­shoheit führen kann, zeigt das trau­rige Beispiel der Deutschen Bahn, der der Titel „Sprach­pan­sch­er“ zweimal ver­liehen wurde — 1999 musste der dama­lige Vor­standsvor­sitzende Johannes Ludewig sich so schimpfen lassen [VDS, 1.9.1999], 2007 dann sein Nach­fol­ger Hart­mut Mehdorn [VDS, 31.8.2007]. Beque­mer­weise war die Begrün­dung in bei­den Fällen dieselbe: Fahrkarten­schal­ter wür­den „Tick­et Counter“ genan­nt, Infor­ma­tion­sstände „Ser­vice Point“ und Bahn­hof­s­toi­let­ten „McClean“. Und statt auf die Denk­fehler hin­ter dieser Begrün­dung hinzuweisen, gelobte die Deutsche Bahn im let­zten Jahr dann tat­säch­lich Besserung (wobei unklar ist, ob tat­säch­lich die Quen­geleien des VDS dafür ver­ant­wortlich waren, oder eher die sprach­puris­tis­chen Scheinat­tack­en des Verkehrsmin­is­ters Peter Ramsauer.

In diesem Jahr zeigte sich dage­gen schon früh, dass dem Vere­in Deutsche Sprache bei seinen bil­li­gen Ver­suchen, sich auf ihre Kosten bekan­nter Namen und Insti­tu­tio­nen als Bewahrer der deutschen Sprache darzustellen, ein etwas rauer­er Wind ins Gesicht wehen würde. Als im Mai die Nominierun­gen bekan­nt­gegeben wur­den [VDS, 26.5.2011], war unter den Kandidat/innen auch der Vor­standsvor­sitzende der Bun­de­sagen­tur für Arbeit, Frank-Jür­gen Wiese. Ihm wur­den Wörter wie Job­cen­ter, Start-Up-Coach­ing und Busi­nesstalks angekrei­det. Und statt zerknirschte Besserung zu geloben, wies die BfA in ein­er Pressemel­dung auf etwas hin, das der VDS nie ver­ste­hen wird: Lehn­wörter sind ein Teil der deutschen Sprache, und wer ver­standen wer­den will, wird sie deshalb verwenden.

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Homöopathische Sprachfallen und wie GEO sie nicht vermeidet

Von Anatol Stefanowitsch

Die aktuelle GEO-Titelgeschichte „Die neue Heilkun­st“ sorgt in der Skep­tik- und Wis­senschafts­blog­com­mu­ni­ty schon seit ein paar Wochen für Unmut, denn in dieser Geschichte geht es nicht um eine neue Heilkun­st, son­dern um die Schar­la­taner­ie, die unter dem Namen „Alter­na­tivmedi­zin“ fir­miert. Dieser Unmut hat sich in den let­zten Tagen verdichtet, nach­dem die GEO-Redak­tion in ein­er Diskus­sion auf der GEO-Face­book­seite zunächst gar nicht, dann abwedel­nd und dann pseu­doein­sichtig auf Kri­tik an der Geschichte einge­gan­gen ist.

Ich will mich mit dem GEO-Artikel selb­st nicht weit­er aufhal­ten (das ist z.B. hier in her­vor­ra­gen­der Weise geschehen, der Artikel ist hier online ver­füg­bar, sodass sich alle selb­st ihr Bild davon machen kön­nen). Ich will auch nicht die Frage stellen, warum ein (wenig­stens früher ein­mal) hoch ange­se­henes Wis­sens­magazin wie GEO eine Titelgeschichte über ein medi­zinis­ches The­ma nicht von jeman­dem schreiben lässt, der sich mit Medi­zin ausken­nt, son­dern von ein­er Poli­tik­wis­senschaft­lerin — oder warum diese Poli­tik­wis­senschaft­lerin sich auch auf Focus Online als medi­zinis­che Exper­tin gerieren darf (das ist z.B. hier behan­delt wor­den). Ich will mich auch nicht im Detail mit dem Ver­hal­ten der GEO-Redak­tion im betr­e­f­fend­en Diskus­sion­sstrang auf GEOs Face­book­seite beschäfti­gen (am besten, man liest sich den Strang selb­st durch).

Stattdessen will ich mich — wir sind ja im Sprachlog — mit eini­gen sprach­lichen Aspek­ten der Antwort der GEO-Redak­tion befassen, die für solche Debat­ten auch all­ge­mein typ­isch sind und die zeigen, dass der Ver­fass­er, der stel­lvertre­tende Chefredak­teur Jens Schröder, tief in der sprach­lichen Welt der pseudomedi­zinis­chen Eso­terik ver­haftet ist (wom­it ich übri­gens, darauf weise ich aus­drück­lich hin, kein­er­lei Aus­sage darüber machen will, ob er auch gedanklich in dieser Welt ver­haftet ist). Mein Beitrag ist im Prinzip eine etwas länger aus­for­mulierte Fas­sung eines Kom­men­tars, den ich in der Diskus­sion auf der Face­book­seite von GEO abgegeben habe, er erhebt keinen Anspruch auf Sys­tem­atik oder Vollständigkeit.

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