Archiv für das Jahr: 2011

Das Blog ist tot, es lebe der Blog

Von Anatol Stefanowitsch

Mein Sprachge­fühl sagt mir ohne jeden Zweifel: Es muss das Blog heißen. Natür­lich höre und lese ich immer wieder auch die Maskulin­form der Blog, sie klingt also ver­traut, fühlt sich aber trotz­dem falsch an. Auch für den Duden ist das Neu­trum die dom­i­nante Form: das, auch: der Blog, erfährt man dort.

Nur liegen mein Sprachge­fühl und der Duden da falsch: der Blog ist die dom­i­nante Form, nur eine Min­der­heit der deutschen Sprachge­mein­schaft bevorzugt das Blog. Das zeigt zunächst eine (sich­er nicht repräsen­ta­tive) Umfrage, die ich gestern auf der Face­book-Seite des Sprachlog durchge­führt habe:

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[Werkzeug] Es läppert sich …

Von Kristin Kopf

Kür­zlich kam jemand mit der Suchan­frage es läp­pert sich ethy­mol­o­gisch hier­her. Zu ethy­mol­o­gisch hab ich schon mal was geschrieben, zum Läp­pern aber nicht. Wie zur Herkun­ft viel­er ander­er Wörter oder Phrasen auch nicht. Daher gibt’s heute ein bißchen Hil­fe zur Selbsthilfe.

Will man die Bedeu­tungs- und Laut­geschichte eines Wortes erkun­den, dann hil­ft ein Blick in ein soge­nan­ntes “Ety­mol­o­gis­ches Wörter­buch”. Für das Deutsche gibt es da mehrere, zum Beispiel den Kluge, den Pfeifer und das Duden-Herkun­ftswörter­buch (genaue Angaben s.u.). Ich habe früher meist den Kluge benutzt, finde aber Pfeifer mit­tler­weile bess­er, weil er mehr Wort­bil­dun­gen verze­ich­net. Und die gute Nachricht: Die Ein­träge aus dem Pfeifer gibt es auch online, und zwar auf der DWDS-Seite.

Ein­fach in das Such­feld das fragliche Wort (hier: läp­pern) eingeben. Die Suche erfol­gt in allen Kom­po­nen­ten des DWDS (das sind u.a. Kor­po­ra und ein “nor­males” Wörter­buch) und die Ergeb­nisse wer­den in kleinen Kästen präsen­tiert. Der Ety­molo­gie-Kas­ten befind­et sich oben rechts, hier orange  hinterlegt:

Da zeigt sich dann, dass es läp­pert sich (bzw. es läp­pert sich zusam­men) die Bedeu­tung ‘in kleinen Men­gen zusam­menkom­men’ hat. Sie lässt sich mit der Geschichte des Verbs läp­pern recht gut nachvol­lziehen: Weit­er­lesen

Viren und ihr grammatisches Geschlecht

Von Anatol Stefanowitsch

Viren haben kein natür­lich­es Geschlecht, aber ihr Genus, also ihr gram­ma­tis­ches Geschlecht, sorgt immer wieder für Unsicher­heit. Immer wieder mal werde ich gefragt, ob es denn nun kor­rek­ter­weise das Virus oder der Virus heißen müsste. Nun gibt es auf diese Frage natür­lich keine „kor­rek­te“ Antwort, son­dern nur die Antworten, die sich alle deutsche Muttersprachler/innen auf der Grund­lage des eige­nen Sprachge­fühls selb­st geben kön­nen. Aber da diese Antworten eben wahrnehm­bar voneinan­der abwe­ichen, will ich hil­fs­bere­it sein und gebe deshalb schon mal das weit­er, was mein Sprachge­fühl mir sagt: Es heißt der Com­put­er­virus (Maskulinum), son­st aber das Virus (Neu­trum).

Bei dieser Antwort habe ich immer ein etwas schlecht­es Gewis­sen, denn aus dem Sprachge­fühl Einzel­ner kann nun ein­mal keine sprach­liche Hand­lungsan­weisung für alle abgeleit­et wer­den. In einem kurzen Beitrag in der Außen­stelle bin ich der Frage nach dem gram­ma­tis­chen Geschlecht von Viren deshalb genauer nachge­gan­gen. Inzwis­chen hat sich das dort berichtete Bild noch etwas verkom­pliziert, sodass sich ein neuer Beitrag lohnt.

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Sherlock Holmes und die Mormonen von Virginia

Von Anatol Stefanowitsch

Seit eini­gen Tagen braut in den englis­chsprachi­gen Medi­en ein Sturm der Entrüs­tung über den jüng­sten Fall von amerikanis­ch­er Zen­sur­wut. Erwis­cht hat es dies­mal Arthur Conan Doyles A Study in Scar­let („Eine Studie in Schar­lachrot“), das in einem kleinen Schuld­is­trikt in Vir­ginia für Unruhe sorgt. Grund dafür ist die unvorteil­hafte Darstel­lung der mor­monis­chen Kul­tur und Reli­gion darin. Deshalb, so ent­nimmt man den Mel­dun­gen, sei das Buch jet­zt „ver­boten“ wor­den — ein paar Über­schriften zur Illus­tra­tion: Sher­lock Holmes book banned in Albe­mar­le Coun­ty, Vir­ginia (Los Ange­les Times), School board yanks Sher­lock Holmes book because it trash­es Mor­mons (Stan­dard Exam­in­er), und sog­ar Book Ban­ning is Alive and Well in Vir­ginia (Forbes).

Heute erre­ichen die ersten Vor­läufer dieses Sturms auch die deutschen Medi­en. Das Deutsch­landra­dio Kul­tur titelte heute früh noch neu­tral „Erster Sher­lock Holmes-Band in Vir­ginia von Lit­er­aturliste genom­men — ange­blich mor­mo­nen-feindlich“, spricht dann aber davon, dass das Buch „an Schulen im US-Bun­desstaat Vir­ginia nicht mehr erwün­scht“ sei. Eine Pressemel­dung der DPA, die in diesen Stun­den ihren Siegeszug durch die Online-Medi­en antritt, trägt die etwas aufgeregtere Schlagzeile „Schul­be­hörde ver­ban­nt Sher­lock Holmes vom Lehrplan“ und por­traitiert das Ganze als qua­si-bilder­stürmerischen Akt:

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Bei Fremdsprach-Sünden raste ich aus!

Von Anatol Stefanowitsch

Dieses Bild zeigt nicht etwa eine Bou­tique in Rom oder Mai­land, nein, es han­delt sich um ein Ladengeschäft in der Ottenser Haupt­straße im boden­ständi­gen Hamburg.

Riduzione

Ja, bin ich denn in Ital­ien? Speziell der deutsche Tex­til­han­del ver­sucht, sich mit dieser Sprach­pan­scherei ein welt­män­nis­ches Flair zu geben! Weit­er­lesen

Mini-Feldforschungsrätsel

Von Kristin Kopf

Heute habe ich euch, frisch von meinen Exkur­sio­nen ins wilde Ale­man­nien, zwei kleine Szenen mit­ge­bracht. Sie spie­len sich in Anbe­tra­cht der aktuellen Wit­terung tagtäglich tausend­fach ab:

»Essen wir … ?« — »Nein, … !«

Meine erste Idee war, die Gespräche ins Hochdeutsche zu über­set­zten und zu erk­lären, was der Unter­schied zum Dialekt ist, aber … vielle­icht habt ihr ja Lust? Ich über­lasse euch die mühevoll extrahierten Sprach­dat­en mal zur Betra­ch­tung – was ist daran auf­fäl­lig? Kom­mentare willkom­men! (Ich mache sie aber erst mor­gen sicht­bar, son­st kom­men hier gle­ich die Mut­ter­sprach­lerin­nen und dann gibts nix mehr zu rätseln …)

Wer einen guten Tipp braucht, wird hin­ter dem Umbruch fündig. Weit­er­lesen

Pippi, geh von Bord

Von Anatol Stefanowitsch

In meinem Beitrag vom Mon­tag habe ich das Prob­lem des Wortes Neger und sein­er Ableitun­gen in Astrid Lind­grens Pip­pi Langstrumpf geht an Bord und Pip­pi in Taka-Tuka-Land disku­tiert und argu­men­tiert, dass es aus über­set­zungs­the­o­retis­ch­er Sicht falsch wäre, Lind­grens schwedis­ches neger aus den 1940er Jahren im 21. Jahrhun­dert mit dem deutschen Neger zu über­set­zen, da ersteres zur Zeit Lind­grens ange­blich neu­tral, let­zteres spätestens heute aber neg­a­tiv belegt ist. Ich habe weit­er argu­men­tiert, dass auch seman­tisch angemessene Über­set­zun­gen wie dunkel­häutiger Men­sch das eigentliche Prob­lem tief in diese Erzäh­lun­gen ver­woben­er ras­sis­tis­ch­er Stereo­type nicht lösen. Die Frage, die am Ende offen­blieb und mit der ich mich heute befassen will, war die, wie man mit diesem Prob­lem am besten umgeht.

Der Oetinger-Ver­lag, der die deutschen Über­set­zun­gen der Pip­pi-Langstrumpf-Büch­er ver­legt, hat sich 2009 zu ein­er Neubear­beitung entschieden:

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Pippi Langstrumpf, N****prinzessin und Übersetzungsproblem

Von Anatol Stefanowitsch

Wenn ich mein­er Tochter früher die Büch­er Pip­pi Langstrumpf geht an Bord und Pip­pi auf Taka-Tuka-Land vorge­le­sen habe, sah ich mich zu redak­tionellen Änderun­gen gezwun­gen: Die Büch­er enthal­ten eine Rei­he ras­sis­tis­ch­er Aus­drücke, die ich beim Vor­lesen stillschweigend durch annäh­ernd neu­trale Wörter erset­zt habe.

[Hin­weis: Der fol­gende Beitrag enthält Beispiele ras­sis­tis­ch­er Sprache.} Weit­er­lesen

Der Hoteldirektor und das Zimmermädchen

Von Anatol Stefanowitsch

Vor ein paar Wochen habe ich in der Berlin­er S‑Bahn fol­gende Stel­lenanzeige gesehen:

Stellenanzeige der GRG für Zimmermädchen (Berliner S-Bahn, 2011)

Stel­lenanzeige der GRG für Zim­mer­mäd­chen (Berlin­er S‑Bahn, 2011)

Da ich mit meinem Beruf im Großen und Ganzen zufrieden bin, hat mich daran natür­lich nicht die Stelle selb­st inter­essiert, son­dern die Tat­sache, dass die hier gesucht­en Zim­mer­mäd­chen männlich oder weib­lich sein durften. Wenn die Anzeige typ­isch ist, wäre Zim­mer­mäd­chen damit eine der weni­gen Berufs­beze­ich­nun­gen, bei der die weib­liche Form gener­isch — also für Män­ner und Frauen — ver­wen­det wird (Hebamme und Mäd­chen für Alles wären weit­ere Beispiele).

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Auf dem Holzweg mit dem Holzweg

Von Kristin Kopf

Das Bild­blog hat einen taz-Blog­a­r­tikel über Ter­ror­ex­perten ver­linkt, der den Titel »Plä­doy­er zur Abschaf­fung des Ter­ror­ex­perten. Sel­ten waren so viele so schnell auf dem Holzweg« trägt und eine beze­ich­nende Illus­tra­tion besitzt: Einen Steg aus Holz, der durch ein Moor führt.

Die Bild­wahl ist ein schön­er Hin­weis darauf, wie die Bedeu­tung der Wen­dung auf dem Holzweg sein ‘sich irren’ mit der Zeit intrans­par­ent wurde – und zwar, weil das zuge­hörige Konzept für die bre­ite Bevölkerung immer unwichtiger wurde und den meis­ten Leuten heute unbekan­nt ist.

Ein Holzweg, wie in der Wen­dung gebraucht, ist näm­lich nicht ein ‘Weg aus Holz’, son­dern ein ‘Weg für Holz’. Also wie ein Hol­zlager, nicht wie ein Holzbein. Und das kam so: Weit­er­lesen