Archiv für den Monat: Oktober 2010

Chaos mit “Zucchini”

Von Kristin Kopf

Kür­bisse vor Kürbissuppe

Ich habe mich diese Woche jahreszeitbe­d­ingt eine Menge mit Kür­bis­sen beschäftigt.1 Siehe rechts. Dabei spuk­te mir immer wieder im Kopf herum, dass ja auch Zuc­chi­ni Kür­bisse sind. Das ursprünglich ital­ienis­che Wort bedeutet in sein­er Herkun­ftssprache sog­ar ‘klein­er Kür­bis’, es ist von zuc­ca ‘Kür­bis’ abgeleitet.

Kurioser­weise kann das Wort sowohl im Ital­ienis­chen als auch im Deutschen maskulin und fem­i­nin sein. Weit­er­lesen

Verzerrte Realitäten

Von Anatol Stefanowitsch

An vie­len Orten der Welt bemühen sich Sprachwissenschaftler/innen darum, ster­bende Sprachen zu doku­men­tieren. Das ist nicht nur für die Sprach­wis­senschaft wichtig, son­dern manch­mal auch für die betrof­fe­nen Sprachge­mein­schaften, wenn die nach­fol­gen­den Gen­er­a­tio­nen die Sprache ihrer Vor­fahren wieder­beleben möcht­en. Wer die Doku­men­ta­tion ster­ben­der Sprachen unter­stützen möchte, kann das z.B. durch eine Spende an die Gesellschaft für Bedro­hte Sprachen tun.

Ab und zu ent­deck­en die Forscher/innen bei ihrer Doku­men­ta­tion­sar­beit sog­ar bis­lang unbekan­nte Sprachen. Aus sprach­wis­senschaftlich­er Sicht ist das beson­ders beson­ders span­nend, weil immer die Möglichkeit beste­ht, dass die neu ent­deck­te Sprache Eigen­schaften hat, die wir vorher für unwahrschein­lich oder sog­ar für unmöglich gehal­ten hät­ten. So zum Beispiel, als der Mis­sion­ar und Feld­forsch­er Desmond Der­byshire im Rah­men sein­er Mis­sion­stätigkeit die Sprache Hixkaryana ent­deck­te, deren grundle­gen­der Satzbau die bis dato für unmöglich gehal­te­nen Rei­hen­folge Objekt-Verb-Sub­jekt aufwies (Der­byshire 1961).

Aber als ich die fol­gende Schlagzeile in meinem Fee­dread­er sah, war ich dann doch über­rascht: „Lin­guis­ten ent­deck­en neue Sprache, die unsere Real­ität verz­er­rt“, schreibt das Tech­nikblog „Giz­mo­do“ (nur, damit kein falsch­er Ein­druck entste­ht: Ich lese Giz­mo­do nicht, aber mein Fee­dread­er durch­sucht für mich Google News nach Wörtern wie „Anglizis­mus“, „Sprach­wan­del“ und eben auch „Lin­guis­ten“).

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Der Newsmixa

Von Susanne Flach

Auch Schlagzeilen­gener­a­toren haben Humor:

Screen­shot bei MSN.de, 8. Juli 2010

Erin­nert mich irgend­wie an fol­gen­des lustiges Schlagzeilen­wür­feln — als Ver­such­skan­inchen für Home­brew in mein­er aus­tralis­chen WG hielt ich es damals für eine Art Nahtoderfahrung:

Screen­shot bei BR Online, 19. Mai 2005 (via malison.org)

Im gle­ichen Monat heiratete außer­dem Prinz Charles seine Camil­la, oder, wie mein britis­ch­er Mit­be­wohn­er meinte: “Die arme Sau — 30 Jahre warten und wofür? Damit ihm ein alter Pole und ein nicht so alter Deutsch­er die Show stehlen!”

Haarige Derivate

Von Susanne Flach

Haben Sie auch schon mal gehört, dass Irisch keine Wörter für ja und nein hat? Oder keins für Sex? Ersteres ist wahr, zweites nicht. Kön­nen die Iren deshalb zum Sex (nicht) nein sagen? Oder Taga­log, das ange­blich kein Wort für Kap­i­tal­is­mus hat? Doch, kap­i­tal­is­mo. Oder die berühmte Schaden­freude, die Anglo-Amerikan­er ange­blich nicht empfind­en, weil sie kein Wort dafür haben? Und die Deutschen sind natür­lich geord­neter, als die Englän­der, weil wir die über­sichtliche Über­sichtlichkeit haben. Das ist natür­lich eine wah­n­witzige Logik, aber darum soll’s hier jet­zt nicht gehen.

Umgekehrt geht’s natür­lich auch: Eski­mo­sprachen haben ___ Wörter für Schnee, asi­atis­che Sprachen ___ Wörter für die Zubere­itung von Reis — und Alban­isch hat eine beachtliche Zahl an Wörtern für Schnurrbart.

Ange­blich 27, um genau zu sein.

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Sexismusverdacht

Von Kristin Kopf

In let­zter Zeit ger­at­en immer wieder Leute her, weil es irgend­wo eine (meist niveaulose) Debat­te zu Sex­is­mus gibt. Im Laufe ebendieser zaubert jemand die “däm­lich kommt von Dame”-Behaup­tung aus dem Hut und prompt schreibt jemand anders: “Nein, däm­lich ist nicht sex­is­tisch, das kommt näm­lich gar nicht von Dame!” Drunter dann ein Link zum ein­schlägi­gen Sch­plock-Beitrag.

Aber ist es so leicht?

Dass däm­lich nicht von Dame kommt, ja klar – aber ist es deshalb auch defin­i­tiv nicht sex­is­tisch? Weit­er­lesen

[Lesetipp] Der Geschichtenerzähler

Von Kristin Kopf

Dass Mario Var­gas Llosa den Lit­er­aturnobel­preis gewon­nen hat, erin­nert mich prompt an meine Semes­ter in der Kom­para­tis­tik. Ich denke das Sem­i­nar hieß “Interkul­turelles Erzählen”, ich hielt dort mein erstes und (hof­fentlich mit viel Abstand) grauen­haftestes Unirefer­at und ein Buch ist mir sehr, sehr ein­drück­lich in Erin­nerung geblieben: “Der Geschicht­en­erzäh­ler” (span. “El Hablador”) von obge­nan­ntem Llosa. Die Erzäh­lung spielt in Peru, ganz beson­ders im Regen­wald bei den Machiguen­ga und am besten man ver­rät vorher so gut wie gar nichts drüber. Der Sch­plock-Bezug? Das SIL kommt am Rande vor. (Eher unschme­ichel­haft, wenn ich mich recht entsinne.)

Ich werde diese Erin­nerung zum Anlass nehmen, das Buch endlich mal wieder zu lesen – will noch jemand? Dann würd ich gle­ich zwei Exem­plare bestellen.

Wörter auf ‑nf

Von Kristin Kopf

Vor ein­er Weile kam jemand mit der Suchanfrage

wörter mit endung nf

hier­her. Offline kön­nte man so etwas mit einem soge­nan­nten “rück­läu­fi­gen Wörter­buch” her­aus­find­en. Aber was’n Stress!

Meine Online-Stan­dard­lö­sung in solchen Fällen ist canoo.net. Ging hier aber erst­mal nicht, denn da muss man min­destens drei Buch­staben eingeben. Die Anfrage *nf führt zu “Bitte seien Sie genauer: Wild­cards sind erst ab 3 Buch­staben erlaubt”. Wie nervig, es will ja kein­er tausend (= 30) Abfra­gen mit *anf, *bnf, … machen!

Aber elexiko vom Insti­tut für Deutsche Sprache ist koop­er­a­tiv, es spuckt 15 Tre­f­fer aus. Sucht man sich davon nur die ein­fachen Wörter aus, schnur­rt die Zahl der­er auf -nf ganz schnell auf vier zusam­men: Hanf, Senf, fünf und der Eigen­name Genf. Sind das schon alle? Weit­er­lesen

Das Schäufele aus Freiburg

Von Susanne Flach

Das aktuelle Tohuwabo­hu um Wolf­gang S. aus F. riss die Sprecherin beim Nachrichten­zulief­er­er eines Ham­burg­er Radiosenders zu einem zumin­d­est für Fre­unde der süd­deutschen Küche amüsan­ten Ver­sprech­er hin:

Wolf­gang Schäufele… Schäu­ble ist zurückgetreten/tritt zurück/wird zurückgetreten/dementiert Rück­tritts­gerüchte. [Nichtzutr­e­f­fend­es ist je nach Sach­lage zu stre­ichen.]

Jet­zt ist mir nach nem Schoiblə Schäufəle.

Der Beitrag, wo von “wo” handelt

Von Kristin Kopf

André hat neulich ange­fragt, wo eigentlich die wo-Rel­a­tivsätze ver­bre­it­et seien. Ihr wisst schon, die wo man mit wo bildet. Mir scheint, ziem­lich weit. Über Grimms Wörter­buch habe ich einen Auf­satz von Weise (1917) gefun­den, der als Hotspot den Süd­west­en angibt, also das Ale­man­nis­che (auch in der Schweiz) inklu­sive Schwäbisch.

Aber auch ander­swo find­et es sich, zum Beispiel im Bairischen, Fränkischen, Ost­fränkischen, Ober­hes­sis­chen, Mosel­fränkischen und Lothringis­chen. Hui! Hier eine sehr unge­fähre grafis­che Darstel­lung. Das orange Gebi­et ist das, wo wo benutzt (wurde):

Allerd­ings sind die wo-Rel­a­tivsätze nicht über­all gle­ich stark ver­bre­it­et, in vie­len Gebi­eten nehmen mache Sätze wo und andere was anderes. Lei­der habe ich dazu keine detailiert­eren, kartier­baren Angaben gefun­den. (Ich habe aber auch nicht beson­ders zeitaufwändig gesucht.) Am kon­se­quentesten bei der wo-Ver­wen­dung ist wohl wirk­lich das Alemannische.

Neben dem “lang­weili­gen” der/die/das (und dem kaum brauch­baren welch­er/welche/welch­es) gibt’s in deutschen Dialek­ten übri­gens auch noch Weit­er­lesen

Ich bin (k)ein Berliner

Von Susanne Flach

Machen wir aus aktuellem Anlass einen Aus­flug in deutsch-deutsch­er Geschichte und erzählen den lusti­gen Schwank vom amerikanis­chen Präsi­den­ten und seinem Alter Ego, dem frit­tierten Marme­ladenkissen. Die Leg­ende, dass sich John F. Kennedy bei sein­er Rede in Berlin am 26. Juni 1963 unwis­send als jel­ly donut beze­ich­nete und die Berlin­er Bevölkerung zu amüsierten Mitlei­ds­bekun­dun­gen hin­riss, ist in der englis­chsprachi­gen Welt fast so schw­er tot zu kriegen, wie das lin­guis­tis­che Nicht­phänomen von dre­itausend Wörtern der Eski­mos für Schnee.

Die Mär vom Krapfen geht so: Kennedy sagte am Ende sein­er Rede den berühmten Satz:

Ich bin ein Berliner.

Die West­ber­lin­er gröl­ten. Es bedarf aber schon ein­er gewagten sprach­lichen Spitzfind­igkeit, als deutsch­er Mut­ter­sprach­ler hier die Bedeu­tung ‘Ich bin ein Kon­fitüren­ballen’ her­auszule­sen. Weit­er­lesen